Der Unechte Massekredit in Insolvenz(antrags)verfahren

… Darauf ist bankseitig zu achten!

Wirtschaft und Industrie gehen von einer langanhaltende (sog.) Multikrise für den deutschen und den europäischen Wirtschaftsraum aus. Auswirkungen dieser Situation werden insbesondere durch eine steigende Anzahl von Unternehmenskrisen und Unternehmensinsolvenzen sichtbar. 

Liquiditätsbeschaffung im Insolvenz(antrags)verfahren

Um den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens in der Insolvenz fortzuführen, wird der (vorläufige) Insolvenzverwalter die Aufnahme eines Massedarlehens anstreben. Erster Ansprechpartner für die Bereitstellung dieser weiteren für das Unternehmen lebensnotwendigen Liquidität ist dabei die Hausbank des Unternehmens. 

Insoweit ist es angezeigt, sich die in diesem Zuge von Seiten des Verwalters bedienten Instrumentarien zu vergegenwärtigen und bei bestehender Handlungsbereitschaft die notwendigen Mindestanforderungen im Blick zu haben. 

Oftmals scheuen sich Kreditgeber, dem insolvenzreifen Unternehmen erneut Kreditmittel in Form von neuer Liquidität zur Verfügung zu stellen. Das wäre bei Vergabe eines sogenannten echten Massekredites der Fall. Es handelt sich dabei um ein klassisches Darlehen (§ 488 BGB), durch das der Schuldner „frisches Geld“ bekommt. Gern wird auch Druck auf die Banken wegen einer angeblich bestehenden Finanzierungsfolgenverantwortung ausgeübt. 

Um gleichwohl einen Beitrag zur Betriebsfortführung zu leisten, kommt die Vereinbarung eines unechten Massekredites in Betracht. Unter einem sogenannten „unechten Massekredit“ ist eine revolvierende Finanzierung durch die Zurverfügungstellung von Sicherungsgut zu verstehen. Anstatt eines Neukredits wird die Einziehung von Altforderungen oder die Entnahme aus dem Lager geduldet/gestattet.

Hier erlaubt der Kreditgeber / Sicherungsnehmer, dass das Unternehmen die an ihn sicherungshalber abgetretenen Forderungen wieder selber einziehen kann. Soweit der Warenbestand sicherungsübereignet ist, kann der unechte Massekredit (ggf. zusätzlich) dadurch gewährt werden, dass der Unternehmer ermächtigt wird, das Sicherungsgut wieder zu verarbeiten und zu veräußern. Die jeweils erzielten Erlöse können dann für die Betriebsfortführung verwendet werden und sind im Rahmen der Betriebsfortführung, ggf. auch über den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus, zurückzuführen. 

Notwendigkeit und einer Vereinbarung und Mindestvoraussetzungen

Die Nutzung dieser Betriebsmittel im Rahmen der Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren setzt eine Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter zwingend voraus. Diese sollte aus Beweiszwecken mindestens in textlicher Form erfolgen. Eine solche Vereinbarung ist selbstverständlich auch im Insolvenzantragsverfahren möglich und häufig bereits erforderlich. 

Zu beachten ist, dass der in der Regel vom Insolvenzgericht bestellte sogenannte schwache vorläufige Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Ziffer 2, 2. Alt. InsO) einer besonderen gerichtlichen Ermächtigung bedarf, um überhaupt Masseverbindlichkeiten für die den Kredit gewährende Gläubigerin zu begründen. Ohne eine derartige gerichtliche Ermächtigung sind die aus der Vereinbarung resultierenden Forderungen der Gläubigerin lediglich Insolvenzforderungen und können im eröffneten Insolvenzverfahren gegenüber der Masse nicht geltend gemacht werden. Hinsichtlich der in dem Zuge bestellten Sicherungsrechte besteht im Zweifel eine Anfechtungsgefahr. 

Im eigenen Interesse sollte die Bank/Gläubigerin darauf achten, dass der Ermächtigungsbeschluss die beabsichtigte unechte Massekreditvereinbarung genau benennt und auch die Bestellung der Sicherungsrechte beinhaltet. 

In dem Zuge ist dem Argument entgegenzutreten, dass die häufig dem vorläufigen Insolvenzverwalter bereits im Rahmen der Bestellung erteilte Anordnung gemäß § 21 Abs.2 Nr. 5 InsO für den Abschluss einer solchen Massekreditvereinbarung bereits ausreichen würde. Nach der Feststellung des BGH (Urteil v. 24.1.2019 - IX ZR 110/17) kann der vorläufige Insolvenzverwalter im Rahmen dieses Beschlusses nicht ermächtigt werden, durch Raumsicherungsübereignungsvertrag übertragenes Eigentum und Vorbehaltseigentum nach Widerruf der Veräußerungsermächtigung durch die berechtigten gegen deren Willen zu veräußern. Die o.g. Anordnung gestattet zwar die Nutzung des jeweiligen Sicherungsgutes, aber nicht dessen kompensationslosen Verbrauch.

Bankseitig ist trotz häufig bestehender Eilbedürftigkeit im Zuge des Abschlusses einer derartigen unechten Massekreditvereinbarung darauf zu achten, dass eine Bestätigung des vorläufigen Verwalters erbracht wird, dass die Insolvenzmasse nach einer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns durchgeführten Prüfung zur Bedienung dieses Kredites mit Hauptforderung, Zinsen, Entgelte und Kosten ausreichen wird (Durchfinanzierungsbestätigung) und keine Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens mangels Masse droht. In dem Zuge kann aus Vorsichtsgründen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit eine aktuelle Liquiditätsplanung gefordert werden.

 

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