Geschäftsguthaben bei Genossenschaftsverschmelzungen: BGH klärt Bewertungsfrage

Geschäftsguthaben im Sinn von § 85 Abs. 2 UmwG ist der Nominalwert der Beteiligung des Mitglieds an der Genossenschaft, d.h. der bilanziell auszuweisende Betrag, den das Mitglied tatsächlich auf den oder die Geschäftsanteile eingezahlt hat, zu- bzw. abzüglich etwaiger Gewinn- oder Rückvergütungsgutschriften und Verlustabschreibungen. Eine wirtschaftliche Bewertung des "inneren Werts" des Geschäftsguthabens unter Einbeziehung von Rücklagen oder stillen Reserven der Genossenschaft findet nicht statt (amtl. Leitsatz).

 

Sachverhalt

Der Antragsteller war mit zwei Geschäftsanteilen zu je 125 € an der V. Bank eG in N. beteiligt. Diese verschmolz im Jahr 2021 als übertragende Genossenschaft zusammen mit einer weiteren Genossenschaft auf die Antragsgegnerin. Die Höhe des künftigen Geschäftsanteils bei der vereinigten Genossenschaft wurde im Verschmelzungsvertrag auf 25 € festgesetzt. Die beiden vom Antragsteller voll einbezahlten Geschäftsguthaben von insgesamt 250 € wurden im Zuge der Verschmelzung in zehn Geschäftsanteile der Antragsgegnerin zu je 25 € umgetauscht.

Der Antragsteller beantragte beim Landgericht, die Antragsgegnerin zur Zahlung von 1.063 € zu verurteilen, um den nach seiner Behauptung durch die Fusion entstandenen Wertverlust seiner beiden Genossenschaftsanteile auszugleichen. Das Landgericht verwarf den Antrag als unzulässig. Die dagegen erhobene Beschwerde des Antragstellers hatte vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht ebenso wenig Erfolg wie die Rechtsbeschwerde vor dem BGH.

Entscheidungsgründe des BGH

Der BGH (Beschluss vom 18. März 2025 - II ZB 7/24) bestätigte die Entscheidung des Beschwerdegerichts und stellte klar, dass ein im Spruchverfahren durchsetzbarer Anspruch des Antragstellers auf wirtschaftlichen Wertausgleich über den Nominalwert seines bisherigen Geschäftsguthabens hinaus nach § 85 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen ist.

Nach § 85 Abs. 2 UmwG steht den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft bei einer rein genossenschaftlichen Verschmelzung ein im Spruchverfahren geltend zu machender Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses nur zu, wenn und soweit ihr Geschäftsguthaben in der übernehmenden Genossenschaft niedriger ist als ihr Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft.

Der BGH definierte dabei das "Geschäftsguthaben" im Sinne von § 85 Abs. 2 UmwG als den Nominalwert der Beteiligung des Mitglieds an der Genossenschaft, d.h. den bilanziell auszuweisenden Betrag, den das Mitglied tatsächlich auf den oder die Geschäftsanteile eingezahlt hat, zuzüglich bzw. abzüglich etwaiger Gewinn- oder Rückvergütungsgutschriften und Verlustabschreibungen gemäß § 19 Abs. 1 GenG. Eine wirtschaftliche Bewertung des "inneren Werts" des Geschäftsguthabens unter Einbeziehung von Rücklagen oder stillen Reserven der Genossenschaft findet nicht statt.

Der BGH begründete seine Entscheidung mit mehreren Argumenten:

Gesetzgeberischer Wille: Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber sich bewusst für eine Beschränkung des Ausgleichsanspruchs auf den Nominalwert entschieden hat, um zu verhindern, dass den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft eine Beteiligung an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen zuwächst, die ihnen bei einem Ausscheiden nicht zustehen würde.

Systematische Einordnung: Der Ausschluss eines wirtschaftlichen Wertausgleichs entspricht dem in § 73 Abs. 2 Satz 3, § 76 Abs. 1 GenG, § 80 Abs. 1 Nr. 2, § 93 Abs. 2 UmwG zum Ausdruck kommenden genossenschaftsrechtlichen Nominalwertprinzip, nach dem ausscheidende Mitglieder grundsätzlich keinen Anspruch auf die (anteiligen) Rücklagen oder das sonstige Vermögen der Genossenschaft haben.

Zweck der Regelung: Die Beschränkung des Ausgleichsanspruchs dient dem Zweck, durch die Begrenzung des Kapitalabflusses bei der übernehmenden Genossenschaft deren Eigenkapital zur (weiteren) Verfolgung ihres Förderzwecks zu bewahren und den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft eine stärkere finanzielle Motivation für ein Ausscheiden zu nehmen.

Verfassungskonformität: Die Regelung verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, da sie eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des genossenschaftsrechtlich vermittelten Eigentums darstellt, mit der der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich gebracht hat.

Fazit

Die Entscheidung des BGH hat weitreichende Bedeutung für die Praxis der Genossenschaftsverschmelzungen. Sie stellt klar, dass bei der Berechnung des Umtauschverhältnisses und etwaiger Ausgleichsansprüche ausschließlich auf den Nominalwert des Geschäftsguthabens abzustellen ist, ohne Berücksichtigung von Rücklagen oder stillen Reserven.

Für Genossenschaftsmitglieder bedeutet dies, dass sie bei einer Verschmelzung keinen Anspruch auf einen wirtschaftlichen Wertausgleich haben, der über den Nominalwert ihres Geschäftsguthabens hinausgeht. Dies entspricht dem genossenschaftsrechtlichen Grundprinzip, dass das die Geschäftsguthaben übersteigende Genossenschaftsvermögen einen zweckgebundenen Förderkapitalstock darstellt, der nicht den einzelnen Mitgliedern, sondern der Genossenschaft als solcher zugeordnet ist.

Allerdings weist der BGH auch darauf hin, dass der Gesetzgeber mit § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 UmwG die Möglichkeit geschaffen hat, im Verschmelzungsvertrag ein anderes, nicht auf den Nominalwert abstellendes Umtauschverhältnis festzulegen und damit in dieser Form einen wirtschaftlichen Wertausgleich im Zuge der Verschmelzung zu realisieren.

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